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Dt. Kita-Preis im Coronajahr: Interview mit Valeska Pannier

Deutscher Kita-Preis 2020

Datum

05/2020

 

„Kita des Jahres 2020“ - beispielhaftes Engagement, das Mut macht 

Interview mit Valeska Pannier, Leiterin Deutscher Kita-Preis 

Deutscher Kita-Preis

Die Corona-Pandemie zwingt vielen Einrichtungen des Bildungswesens gravierende Einschränkungen auf. Unter der Rubrik „Wir bleiben im Gespräch!“ fragen wir bei unseren Partnern nach, wie sie die aktuellen Herausforderungen bewältigen.

Heute berichtet Valeska Pannier von der Vergabe des Deutschen Kita-Preises in diesem Jahr, vielfach ermutigenden Beispielen der Finalisten-Kitas – und wie wichtig es ist, bei allen Auflagen die Kinderperspektive nicht aus dem Blick zu verlieren.

Das Interview führte Christine Koop, Ressortleitung Beratung der Karg-Stiftung, am 26. Mai 2020.

 

Frau Pannier, wird es trotz der corona-bedingten Absagen von Großveranstaltungen auch in diesem Jahr eine „Kita des Jahres“ geben?

Wir bedauern natürlich sehr, dass die feierliche Gala zur Verleihung des Deutschen Kita-Preises in Berlin in diesem Jahr nicht stattfinden kann. Gerade jetzt, wo sich besonders zeigt, wie sehr unser Land auf eine zuverlässige und gute Kindertagesbetreuung angewiesen ist, wollen wir das beispielhafte Engagement von Kitas und lokalen Bündnissen für gute frühkindliche Bildung sichtbar machen und ehren. Und auch für unsere diesjährigen Finalisten soll das Warten bald ein Ende haben. Darum haben wir uns entschieden, den Preis im Rahmen eines digitalen Events zu verleihen, das am 16. Juni stattfinden wird. Ein positiver Nebeneffekt daran ist, dass so nun wirklich alle dabei sein können, die mit den Finalisten mitfiebern – auch die Kinder und Eltern. Und ganz aktuell läuft auch bereits die  Bewerbungsphase für den Deutschen Kita-Preis 2021.

Die Preisverleihung des Deutschen Kita-Preises am 16. Juni 2020 ab 17 Uhr LIVE! 
www.deutscher-kita-preis.de/preisverleihung


Von einem Tag auf den anderen war durch den Corona-Shutdown der persönliche Kontakt zwischen Kitas und ‚ihren‘ Kindern und Familien unterbrochen. Sie haben Finalisten-Kitas
gefragt, wie sie trotzdem versuchen, Kontakt zu halten. Welche Antworten haben Sie dabei am meisten berührt?

Mich haben die Antworten unserer Finalisten vor allem beeindruckt und darin bestärkt, dass die Qualitätsdimensionen des Deutschen Kita-Preises sich sogar auf den Umgang der Einrichtungen mit der momentanen Krise anwenden lassen. In allen Kitas steht das Wohlergehen der Kinder im Vordergrund und sie haben dabei sehr genau im Blick, dass „ihre“ Kinder und Familien unterschiedliche Bedürfnisse und Voraussetzungen haben. Darum sind die Lösungen, die die Kitas zum Kontakt-Halten entwickelt haben, auch nicht starr und formalisiert, sondern sehr flexibel. Das reicht von Kinderpostboten, die im Rahmen der Notbetreuung ihren Kita-Freundinnen und Freunden die Kinderpost mit Spiel-, Forschungs- und Bastelanregungen austragen, über Podcast- und Videoformate, in die die Kinder aktiv eingebunden werden, bis hin zu Telefonaten mit Kindern, die ihre Bezugserzieherin vermissen. Besonders berührt hat mich die Idee, mit den Kindern Steine individuell zu bemalen und diese dann im Umfeld der Kita oder auch in den Gärten der Kinder zuhause vorbeizubringen. So tauchen auf den Wegen der Kinder immer wieder unerwartet diese liebevollen Erinnerungsanker auf und sind gleichzeitig wie eine geheime Botschaft oder ein unsichtbares Band zwischen den Lebenswelten.

Wie reagieren die Finalisten-Kitas auf die ungewöhnliche Situation?

Alle Finalisten eint das enorme Engagement und der kontinuierliche Wunsch, immer wieder neu zu gucken, was jetzt gerade gebraucht wird und sich aktiv Rückmeldungen von den Kindern und auch den Eltern einzuholen und dadurch immer weiter dazuzulernen und das Angebot auch zu verändern oder einer neuen Realität anzupassen. Dabei entstehen enorm kreative Lösungen, sowohl im Umgang mit digitalen Tools und Medien als auch ganz analog. An diesem kleinen Beispiel wird ein grundsätzliches Prinzip deutlich, das uns auch beim Deutschen Kita-Preis leitet: Es gibt nicht den EINEN richtigen Weg, um gute Qualität zu erreichen, sondern es kommt darauf an, auf die vorhandenen Gegebenheiten und Bedürfnisse immer wieder neu zu reagieren.

Kitas sind ja nicht nur ein Betreuungsangebot für Eltern, damit sie Beruf und Familie besser miteinander vereinen können. Sie sind auch wichtige Lernorte für Kinder. Was, denken Sie, fehlt begabten Kindern, die besonders wissbegierig sind und sehr schnell lernen, wenn sie längere Zeit keine Kita besuchen können?

Kitas sind für Kinder im Idealfall ein Ort, an dem sie sich jeden Tag in das Abenteuer des „Größer-Werdens“ und Lernens stürzen können und dabei feinfühlig und kompetent begleitet werden. Wir wissen bereits lange und es ist wiederholt durch zahlreiche Forschungsbefunde der Entwicklungspsychologie und Neurowissenschaften belegt, dass die ersten Lebensjahre so entscheidend für die gesamte menschliche Entwicklung sind, wie kein anderer Lebensabschnitt. Es sind vor allem die ersten sechs Jahre, in denen Kinder sich selbst und das Leben immer besser kennenlernen und Grundlagen erwerben – nicht nur Wissen und Können, sondern auch soziale und emotionale Erfahrungen und grundsätzliches Selbstvertrauen – die sie für ihr weiteres Leben stärken.

Besonders wissbegierige Kinder suchen in ihrer Umgebung immer wieder nach neuen Anregungen und Gelegenheiten, um sich selbsttätig mit Neuem auseinanderzusetzen. Kitas können das gut im Blick behalten und professionell darauf reagieren, z.B. mit zusätzlichen Angeboten, Projekten, die auf das Kind, seine Interessen und seinen Entwicklungsstand zugeschnitten sind oder auch durch kindgerechte, aber besonders denkanregende Fragen und Impulse für selbstgesteuertes Lernen. Gleichzeitig sind für die Kinder Erfahrungen im sozial-emotionalen Lernen mindestens genauso wichtig. Dafür braucht es zwingend Kontakt zu „Entwicklungsgleichen“ und den Kindern in der Kita. Kinder brauchen dringend die Möglichkeit für das Zusammensein mit ihren Freundinnen und Freunden, denn viele Lernprozesse funktionieren allein über das gemeinsame Spiel unter Kindern und können durch Interaktionen mit Erwachsenen nicht ersetzt werden. Sowohl der Mangel an Kontakt zu anderen Kindern und vertrauten Bezugspersonen aus der Kita als auch eine Unterforderung des kognitiven Potenzials können sich sogar in starken Beeinträchtigungen des Wohlbefindens der Kinder niederschlagen.

Nun werden die Kitas schrittweise wieder geöffnet. Mit welchen Herausforderungen an die individuelle Förderung von Kindern werden Kitas aus Ihrer Sicht in den nächsten Monaten konfrontiert sein?

In unserer Arbeit erleben wir immer wieder, dass es eine große Stärke vieler Kitas ist, flexibel auf veränderte Umstände zu reagieren, schnell adäquate Lösungen zusammen mit den Kindern, Familien und Trägern zu entwickeln und diese regelmäßig im Prozess zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen und zu verbessern. Kitas sind sehr häufig direkt am Puls gesellschaftlicher Veränderungen, weil sich beispielsweise veränderte Lebensbedingungen in Familien, neue Armutslagen, Zuwanderung geflüchteter Familien und vieles mehr direkt auf die Arbeit in der Praxis niederschlagen. Weil das so ist, werden die Kitas noch länger mit den Folgen der Corona-Pandemie zu tun haben.

Natürlich kann gerade niemand verlässliche Prognosen aufstellen und auch ich möchte da sehr vorsichtig sein. Allerdings erwarte ich, dass mit der schrittweisen Öffnung und der Rückkehr zum regulären Betrieb viele konzeptionelle Herausforderungen und noch mehr alltagspraktische Fragen auf die Einrichtungen zukommen, zum Beispiel bezüglich der Umsetzung noch strengerer Hygienevorschriften als bislang. Dabei nicht die Kinderperspektive aus dem Blick zu verlieren, ist eine besondere Herausforderung, die aber unbedingt vorrangig zu berücksichtigen ist. Das gilt beispielsweise für Erst- und Wiedereingewöhnungen, aber auch bei der Frage, wie Selbst- und Mitbestimmung der Kinder in den nächsten Wochen aussehen und umgesetzt werden können.

Was wird für Kitas wichtig sein, um diese Herausforderungen zu meistern?

Die Arbeit der Kitas und auch der lokalen Bündnisse, die beim Deutschen Kita-Preis mitmachen, macht mich gleichermaßen hoffnungsvoll wie ehrfürchtig. Mir imponiert es da ganz besonders zu sehen, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Praxis ganz kreative Wege gehen, sich vielfältige Unterstützung organisieren und gerade auch in der aktuellen Situation von Unsicherheit und punktueller Überforderung in der Lage sind, gegenüber Trägern oder kommunalen Behörden zum Sprachrohr für die Belange ihrer Kinder und Familien zu werden, um Spielräume und Grenzen neu auszuloten. Hier zeigt sich für mich einmal mehr, dass Kitas und lokale Initiativen auch die Kraft haben, die Lebensrealität für Kinder und Familien vor Ort mitzugestalten und, falls nötig, auch für die Bedürfnisse und Rechte „ihrer“ Kinder streiten.

Viele Kitas haben in der letzten Zeit aufgrund der besonderen Herausforderungen nach neuen Wegen gesucht und neue Dinge probiert. Mein Rat an die Teams wäre, gemeinsam zu schauen, was sie aus diesen Veränderungsprozessen selbst gelernt haben und auch welche Ansätze künftig beibehalten und weiterentwickelt werden können, etwa mit Blick auf die engere Zusammenarbeit mit allen Familien.

Mir ist bewusst, wie groß die Herausforderungen vielerorts derzeit sind und dass es vielfach erstmal darum geht, einigermaßen den Kopf über Wasser zu halten. Trotzdem möchte ich mit diesen Beispielen Mut machen und vor allem verdeutlichen, wie wichtig die Rolle von Kitas für unsere Gesellschaft insgesamt ist und wie viel Anerkennung die Arbeit in der Kindertagesbetreuung verdient – zu jeder Zeit und auch in Corona-Zeiten!

 

ZUR PERSON & INSTITUTION:


Valeska Pannier ist Diplom-Psychologin mit den Schwerpunkten Lernen und Entwicklung und leitet in der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung den Deutschen Kita-Preis.

Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) setzt sich für Bildungserfolg und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen ein. Jedes Kind soll seine Potenziale und Talente entdecken und entfalten können. Als unabhängige und parteipolitisch neutrale Initiative stößt die Stiftung in ihren Programmen Veränderungen an. Gemeinsam mit vielen Unterstützern und Mitstreitern. Die DKJS ist langjährige Projektpartnerin der Karg-Stiftung:


Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS)
Tempelhofer Ufer 11
10963 Berlin
www.dkjs.de

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