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Nach der Coronaschließung: Tipps für einen gelungenen Schulstart

Ein Beitrag von Andrea Fiebeler, Schulressort Karg-Stiftung

Datum

04/2020

 

Die Schule startet wieder – und nun?

Wie der Neustart erfolgreich gestaltet werden kann, wenn die Schulen wieder öffnen - Anregungen, Strategien & neue Perspektiven

 

Andrea Fiebeler lädt in diesem Beitrag Lehrerinnen & Lehrer ein, die Wiedereröffnung der Schulen nach der Coronaschließung für einen Perspektivwechsel zu nutzen. Sie ist systemische Beraterin mit dem Schwerpunkt Kinder– und Jugendtherapie und arbeitet im Schulressort der Karg-Stiftung als Projektleiterin von zwei Karg Campus Projekten.

14. April 2020

 

Plötzlich keine Schule mehr! Was bei den meisten Schülerinnen und Schülern zu regulären Zeiten Freudenstürme ausgelöst hätte, sorgt in der aktuellen Situation bei vielen vielleicht eher für Unsicherheit, Irritation und den Wunsch, in den normalen Alltag mit all seinen positiven, aber auch anstrengenden und nervigen Momenten zurückzukehren.

Wie sieht es bei den Lehrerinnen und Lehrern aus? Auch sie sind von einem Tag auf den anderen vor viele Herausforderungen gestellt: Umstellung auf digitale Prozesse, individuelle Betreuung der Schülerinnen und Schüler und die ungewisse Frage - wie geht es weiter? Wie schaffe ich mit meinen Schülerinnen und Schülern die Bearbeitung des Lernstoffes? Wie werden Klausuren und Klassenarbeiten geschrieben? Wie beurteile ich ihr Lernen und ihre Leistungen? Wie können die verschiedenen Maßnahmen der Differenzierung aufrechterhalten werden? Wie können die besonders begabten und hochbegabten Kinder und Jugendlichen auch in dieser Zeit angemessen herausgefordert werden? Es gibt also sehr, sehr viele Fragen, mit denen sich alle Beteiligten zur Zeit auseinandersetzen müssen.

Ich möchte mich hier der Frage widmen: Wie kann ein erfolgreicher Start gestaltet werden, wenn die Schulen erneut öffnen und alle wieder aufeinandertreffen?

Eine natürliche Reaktion wäre, in alte Muster zu verfallen und sich zu freuen, den gewohnten Alltag wieder aufnehmen zu können - möglichst keine weitere Zeit zu verlieren und den Rest des Schuljahres noch effektiv zu nutzen, um annähernd die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Doch so naheliegend dieser Wunsch ist, möchte ich Sie einladen, kurz innezuhalten und zu überlegen, ob sich die aktuelle Ausnahmesituation nicht für einen Neuanfang nutzen lässt - als Chance im Chaos!

Dazu möchte ich Ihnen aus der systemischen Denkweise einige Anregungen und Tipps geben - als Angebot, die besondere Chance zu ergreifen, Ihren Schülerinnen und Schülern anders als üblich zu begegnen:

  1. Der Kontext

Jedes Kind, jeder Jugendliche, jeder Erwachsene verhält sich je nach Kontext und System vollkommen anders. Kinder und Jugendliche, die in ihrem Klassenverband ruhig und zurückhaltend sind, können in einem anderen Umfeld, mit anderen Menschen um sie herum, temperamentvoll und aufgeschlossen sein. Andere hingegen, die sich zu Hause ausgezeichnet konzentrieren können, wirken in der Schule vielleicht schnell ablenkbar oder wenig fokussiert.

In der Schule als leistungsstark bekannte Kinder und Jugendliche sind in der aktuellen Stresssituation möglicherweise eher antriebsarm oder wenig motiviert. Einigen besonders begabten oder hochbegabten Kindern und Jugendlichen gelingt es besser, sich zu motivieren, zu konzentrieren und Herausforderungen in den Aufgaben anzunehmen bzw. sich selbst zu suchen, anderen hingegen fällt es sehr schwer, sich auf die neuen Anforderungen einzulassen.

Allen Kindern und Jugendlichen, unabhängig von ihrem Potenzial, ist gemein, dass sie sich gerade in einer für sie neuen Situation erleben. Niemand kann von außen beurteilen, wie jeder und jede Einzelne damit umgeht oder welche Veränderungsprozesse in dieser Zeit mit Ihren Schülerinnen und Schülern geschehen sind.

→ Machen Sie sich das als Lehrerin, als Lehrer vor dem Wiederbeginn der Schule bewusst. Gehen Sie mit einem neuen Blick an Ihre Schülerinnen und Schüler heran und lassen Sie sich überraschen. Wenn Sie Ihren Blick öffnen und gewillt sind, andere Verhaltensweisen und Fähigkeiten zu sehen, werden Sie diese auch erkennen.

  1. Die eigene Konstruktion

Alle Menschen erleben momentan die gleiche Ausnahmesituation - doch nehmen wir sie weder gleich wahr, noch erleben oder empfinden wir sie gleich. Es wird Kinder und Jugendliche geben, die sich auf das Wiedersehen freuen, die froh sind, wieder mit anderen zu lernen. Es wird aber auch welche geben, die die Zeit zu Hause schätzen gelernt haben und sich erst überwinden müssen, wieder in die Gemeinschaft zurückzukehren. Manche Kinder und Jugendliche werden momentan Angst und Unsicherheit empfinden, andere voller Vertrauen und Zuversicht sein, dass sich alles wieder zum Guten fügt. Und wieder andere werden in der Ausnahme das Positive sehen und diese Zeit für sich nutzen können.

Jeder konstruiert sich seine Welt auf eigene Art und Weise. Jede Wahrnehmung ist individuell. Diese Konstruktion erfolgt unbewusst in einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Sich dieser Tatsache bewusst zu werden, ist ganz wichtig für das Wiederaufeinandertreffen. Wie sich jedes einzelne Kind, jeder Jugendliche fühlt und mit welchem Gefühl, sie/er die Situation erlebt oder konstruiert, kann von außen nicht eingeschätzt und bewertet werden.

→ Daher ist es wichtig, dass Sie als Lehrerin, als Lehrer Ihre eigene Wahrnehmung, Ihre Emotionen und Einschätzung für sich identifizieren und als Ihre eigene Konstruktion erkennen. Diese kann sich vielleicht mit der ein oder anderen Konstruktion der Kinder und Jugendlichen überschneiden oder ähneln, sie wird aber niemals ganz identisch sein.

→ Gehen Sie offen und interessiert an Ihre Schülerinnen und Schüler heran und geben Sie ihnen Raum, von ihren Gefühlen und Einschätzungen zu berichten.
Meinungen, Thesen oder Fakten bilden die Grundlage für Diskussionen und verbale, kognitive Auseinandersetzungen. Emotionen und Erlebnisse hingegen sollten einem geschützten und wertfreien Raum unterliegen. Sie dienen dazu, sich gegenseitig kennenzulernen, zu verstehen, wie die eine oder der andere tickt und ermöglichen so, auch das sichtbare Verhalten besser zu verstehen und einschätzen zu können.

→ Geben Sie sich und Ihren Schülerinnen und Schülern ausreichend Zeit, um sich selbst und die Kinder und Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen, wenn sie wieder aufeinandertreffen, um sich neue Bilder und Eindrücke von Ihren Schülerinnen und Schülern machen zu können und in eine neue gemeinsame Lernzeit starten zu können.

Im folgenden Abschnitt finden Sie einige Anregungen, wie dieser Neustart gemeinsam gelingen kann.

Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei, Ihre Schülerinnen und Schüler neu kennenzulernen!

 



Wie kann dieser Neustart gemeinsam gelingen?

Einige Anregungen


Vielleicht haben Sie bereits spontan Ideen, wie Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern an der Bewusstmachung der eigenen Emfindung arbeiten können. Ich möchte Ihnen hier gerne ein paar Anregungen geben.

Bieten Sie verschiedene Methoden an, die von den Schülerinnen und Schülern frei gewählt werden dürfen. Freiwilligkeit und Vielfalt der Methoden sind hier besonders wichtig, damit sich jede/jeder die am besten passendste Methode wählen kann. Auf diese Weise ist auch die Form der Präsentation, der Austausch dazu abwechslungsreicher, persönlicher. Darüber hinaus kennzeichnet gerade diese Vielfalt die (Hoch-)Begabtenförderung. Jeder wählt nach seinen eigenen Stärken und Interessen und kann in der Ausgestaltung seinen Vorstellungen und Fähigkeiten Ausdruck verleihen.

Nach der Erarbeitung erfolgt eine Präsentation. Wie diese ausgestaltet wird, hängt von der Methode ab und von der einzelnen Schülerin/ dem Schüler. Wichtig ist, dass alle Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit erhalten, ihre Produkte sichtbar zu machen, sie zu zeigen, aufzuhängen oder vorzustellen.

Inhalte

Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler aus folgenden Inhalten ihr Thema auswählen:

  • Ausnahmesituation Corona
  • Schulschließung
  • Lernen und Leben zu Hause
  • Zurück in der Schule.

 


methoden

Hier eine Auswahl an Methoden, die Sie den Schülerinnen und Schülern anbieten können:

  • Interviews mit anderen Schülerinnen und Schülern durchführen
  • Flipcharts gestalten, die in der Klasse aufgehängt werden
  • Bilder oder Comics zeichnen
  • einen besonderen Gegenstand mitbringen, der für das jeweilige Kind/den Jugendlichen eine besondere Bedeutung hat - diese visualisieren oder beschreiben
  • einen Zeitungsartikel oder Blog verfassen
  • eine Präsentation erarbeiten.


Zur weiteren Differenzierung können Sie entweder nur die Themen vorgeben und die Ausgestaltung der Fragen den Schülerinnen und Schülern selbst überlassen oder Sie präzisieren die Fragestellungen (altersgemäß formuliert).

Achten Sie darauf, die Aufgabenstellung wertfrei und offen zu formulieren:

  • Wie erging es dir in den letzten Wochen? Was war anders als sonst? Wie hast du dich gefühlt?
  • Wie hast du/habt ihr in der Familie die Situation erlebt?
  • Wie bist du zu Hause mit dem Lernen und den Aufgaben aus der Schule umgegangen? Wie hast du dich dabei gefühlt? Was ist dir besonders im Gedächtnis geblieben?
  • Wenn ich an die Zeit zu Hause denke, fällt mir das als Erstes ein…
  • Das Lernen zu Hause war für mich…
  • Wie ist es für dich, jetzt wieder in der Schule zu sein?
  • Was ist jetzt anders als vor der Corona-Schließzeit?
  • Was war dir in der Zeit wichtig?
  • Was möchtest du uns von den letzten Wochen berichten/erzählen/darstellen?


(Anstelle von:
Was hat dir besonders Angst gemacht? Wie bist du mit deiner Unsicherheit umgegangen?
Fiel dir das Lernen schwer? Wie wurdest du unterstützt?
Was hast du gegen die Langeweile unternommen?)

Präsentation 

Nach Erarbeitung der Inhalte erfolgt die Präsentation. Deren Ausgestaltung ist individuell und hängt von der Methode ab. Wichtig ist, dass alle Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit erhalten, ihre Produkte sichtbar zu machen - sie zu herzuzeigen, aufzuhängen oder vorzustellen.

 


 

ZUR PERSON & INSTITUTION:


Andrea Fiebeler (Pädagogik M.A.) ist Projektleiterin in den beiden Karg Campus Projekten

 

Weiterführende Infos

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